Der Schutz von Boden und Gewässern vor gefährlichen Stoffen zählt zu den zentralen Anliegen des deutschen Umweltrechts. Die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV), die seit dem 1. August 2017 bundesweit gilt, setzt dabei den verbindlichen Rahmen. Ziel der AwSV ist es, Risiken durch wassergefährdende Stoffe zu minimieren, Umweltgefahren präventiv zu vermeiden und bundeseinheitliche Standards für technische, organisatorische und betriebliche Maßnahmen zu schaffen.
Unternehmen und ihre Führungskräfte stehen damit in der Pflicht, sowohl technische Maßnahmen wie Auffangwannen und Rückhalteeinrichtungen zu realisieren als auch qualifiziertes Personal – etwa Gewässerschutzbeauftragte – einzusetzen. Dieser Artikel zeigt praxisorientiert auf, wie die Anforderungen der AwSV konkret umgesetzt werden können, welche rechtlichen Fallstricke zu beachten sind und wie ein systematisches Vorgehen zur Compliance beiträgt.
Geltungsbereich der AwSV – Wer ist betroffen?
Die AwSV gilt für alle Anlagen, in denen mit wassergefährdenden Stoffen umgegangen wird – also gelagert, abgefüllt, hergestellt, verwendet oder transportiert wird. Dazu zählen:
- Lagerbehälter für Heizöl, Diesel, Lösungsmittel, Laugen oder Säuren
- Betriebstankstellen
- Fertigungs- und Produktionsanlagen, etwa in der Metall- und Kunststoffverarbeitung
- Reinigungs- und Desinfektionsstationen in der Lebensmittelindustrie
- Lackier- und Galvanikanlagen
- Labore, auch in Bildungseinrichtungen
Die AwSV betrifft damit nicht nur Großbetriebe oder Chemieparks, sondern auch kleinere Unternehmen, Handwerksbetriebe, Bildungseinrichtungen oder Pflegeeinrichtungen mit Reinigungsmittellagern.
Die wassergefährdenden Stoffe – Wichtige Grundlagen
Wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der AwSV ist die Einstufung der eingesetzten Stoffe. Diese erfolgt nach dem WGK-System (Wassergefährdungsklasse):
- WGK 1: schwach wassergefährdend (z. B. Ethanol)
- WGK 2: deutlich wassergefährdend (z. B. Heizöl EL, Dieselkraftstoff)
- WGK 3: stark wassergefährdend (z. B. Lösungsmittel, Ammoniak)
Hersteller müssen ihre Stoffe gemäß den Kriterien der Verwaltungsvorschrift VwVwS einstufen und melden. Für nicht eingestufte Stoffe sind Betreiber verpflichtet, selbst eine WGK-Einstufung durchzuführen – eine Aufgabe, die Fachkunde und systematische Dokumentation erfordert.
Praxisbeispiel: Ein Lackierbetrieb verwendet ein neues Reinigungsmittel. Da keine WGK-Einstufung des Herstellers vorliegt, beauftragt das Unternehmen eine Fachfirma mit der Bewertung. Diese stuft das Produkt in WGK 2 ein. Daraufhin wird die Lagerung in einem dichten Auffangraum gemäß AwSV angepasst.
Anforderungen an die Anlagensicherheit
Je nach Art und Menge des Stoffes sowie der Nähe zu schutzbedürftigen Gewässern oder Trinkwasserschutzgebieten gelten unterschiedliche technische Schutzanforderungen:
- Auffangräume oder -wannen: Müssen das Volumen der größten Lagereinheit plus 10 % zusätzlich aufnehmen können.
- Doppelte Barrieren bei stark wassergefährdenden Stoffen (WGK 3)
- Leckageerkennungssysteme für unterirdische Tanks
- Regelmäßige Prüfpflichten durch Sachverständige (§ 46 AwSV)
- Korrosionsschutz, Beschichtungen, Rückhalteinrichtungen
Praxisbeispiel: Ein metallverarbeitender Betrieb lagert 5.000 Liter Öl (WGK 2) in einem oberirdischen Tank. Nach AwSV sind Auffangwannen mit mindestens 5.500 Liter Volumen erforderlich, außerdem eine zugelassene Dichtfläche mit Leckageerkennung. Der Betrieb lässt eine WHG-konforme Anlage nachrüsten und dokumentiert dies im Umweltmanagementsystem.
Prüfpflichten – Regelmäßigkeit und Dokumentation
Die AwSV unterscheidet zwischen prüfpflichtigen und nicht prüfpflichtigen Anlagen. Als Daumenregel gilt:
- Prüfpflichtig sind Anlagen, wenn:
- mehr als 1.000 Liter wassergefährdende Stoffe (WGK ≥ 2) gelagert werden,
- die Anlage in Wasserschutzgebieten liegt oder
- es sich um unterirdische Anlagen handelt.
Die Prüfung muss durch zugelassene Sachverständige nach § 53 AwSV erfolgen – entweder vor Inbetriebnahme, regelmäßig während des Betriebs oder bei Stilllegung. Die Ergebnisse müssen dokumentiert, archiviert und auf Verlangen den Behörden vorgelegt werden.
Praxis-Tipp: Unternehmen sollten die Prüfintervalle in ein digitales Wartungs- und Compliance-System integrieren. So lassen sich Fristen überwachen, Prüfergebnisse revisionssicher ablegen und bei Behördenanfragen schnell reagieren.
Organisation und Verantwortung – Wer ist zuständig?
Die Betreiberpflichten nach AwSV betreffen in erster Linie die Unternehmensleitung, doch auch das Beauftragtenwesen spielt eine zentrale Rolle. Relevante Funktionen sind u. a.:
- Betriebsbeauftragter für Gewässerschutz (§ 64 WHG):
- Ab bestimmten Mengenschwellen Pflicht
- Überwacht die Einhaltung aller AwSV-Vorgaben
- Berichtet regelmäßig an die Geschäftsführung
- Umwelt-, Sicherheits- oder Compliance-Beauftragte
- Technische Leitung, z. B. für Instandhaltung der Rückhalteanlagen
- Fachkraft für Arbeitssicherheit, wenn mit gefährlichen Stoffen gearbeitet wird
Praxisbeispiel: Ein Lebensmittelunternehmen betreibt Reinigungsanlagen mit WGK-3-Chemikalien. Die Geschäftsführung bestellt eine erfahrene Technikerin als Gewässerschutzbeauftragte. Diese führt monatliche Kontrollen durch, schult das Personal und leitet Sofortmaßnahmen bei Störfällen ein.
Schulung und Unterweisung – Mitarbeiter einbeziehen
Ein oft unterschätzter, aber zentraler Bestandteil der AwSV-Compliance ist die Schulung und regelmäßige Unterweisung aller betroffenen Mitarbeitenden:
- Kenntnis der eingesetzten Stoffe und deren Gefahren
- Verhalten bei Leckagen und Unfällen
- Bedienung der Sicherheitstechnik (z. B. Notfallventile, Leckagewarner)
- Unterweisungspflicht mindestens einmal jährlich oder bei wesentlichen Änderungen
Praxisbeispiel: Ein Betrieb nutzt diverse Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Neue Mitarbeitende erhalten eine Unterweisung in Lagertechnik und Unfallverhütung. Ein jährlicher Unterweisungstermin wird in das Qualitätsmanagement eingebunden und dokumentiert.
Dokumentation und Behördenkommunikation
Die AwSV verlangt eine umfangreiche Dokumentation, darunter:
- Stofflisten mit WGK-Einstufung
- Prüfberichte und Bescheinigungen
- Wartungsnachweise der Rückhalteeinrichtungen
- Nachweise zur Schulung und Unterweisung
- Berichte des Gewässerschutzbeauftragten
Im Falle einer behördlichen Überprüfung muss das Unternehmen vollständig, plausibel und aktuell dokumentieren können. Versäumnisse gelten als Ordnungswidrigkeit und können empfindliche Bußgelder nach sich ziehen.
Praxis-Tipp: Digitale Umweltmanagementsysteme (z. B. ISO 14001-konforme Softwarelösungen) helfen dabei, alle Nachweise zentral zu verwalten und revisionssicher zu speichern.
Umgang mit Altanlagen und Bestandsanlagen
Viele Betriebe verfügen über Altanlagen, die vor Inkrafttreten der AwSV errichtet wurden. Hier gilt:
- Bestandsschutz nur, wenn keine wesentlichen Änderungen erfolgen
- Bei Umbau oder Erweiterung gelten neue Anforderungen
- Pflicht zur Nachrüstung, wenn erhebliche Gefahren bestehen
Praxisbeispiel: Ein Altöltank aus den 1980er Jahren weist Risse auf. Obwohl bisher keine Störung aufgetreten ist, fordert die Behörde auf Basis der AwSV eine Prüfung und gegebenenfalls Stilllegung. Das Unternehmen entscheidet sich für einen Austausch gegen einen doppelwandigen WHG-konformen Tank mit Leckageerkennung.
Typische Fehler und wie man sie vermeidet
Unternehmen begehen immer wieder ähnliche Fehler bei der Umsetzung der AwSV:
| Typischer Fehler | Konsequenz | Lösung |
|---|---|---|
| Fehlende WGK-Einstufung von Stoffen | Ordnungswidrigkeit, Bußgeld | WGK prüfen, dokumentieren |
| Keine regelmäßige Prüfung der Anlagen | Betriebsuntersagung durch Behörde | Sachverständigenprüfung terminieren |
| Auffangwanne zu klein oder defekt | Umweltverschmutzung, Haftung | Technische Nachrüstung |
| Fehlende Schulungsnachweise | Verstoß gegen Betreiberpflichten | Jährliche Unterweisung mit Protokoll |
| Nicht bestellter Gewässerschutzbeauftragter | Verstoß gegen WHG | Bestellung und Schulung |
Ausblick – Änderungen der AwSV in Vorbereitung
Das Bundesumweltministerium arbeitet an einer Novelle der AwSV, die voraussichtlich nicht vor 2026 in Kraft tritt. Ziel ist es, den Vollzug zu vereinheitlichen und aktuelle Entwicklungen aus Technik und EU-Recht zu integrieren.
Geplante Schwerpunkte:
- Klarere Abgrenzung prüfpflichtiger Anlagen
- Konkretere Vorgaben für Auffangräume und Rückhalteeinrichtungen
- Erleichterungen für ortsbewegliche Behälter (z. B. IBC)
- Digitalisierung der Prüf- und Anzeigeverfahren
- Anpassung an geänderte Stoffeinstufungen gemäß REACH und CLP
Unternehmen sollten sich frühzeitig informieren und ihre Dokumentations- und Prüfprozesse auf kommende Anforderungen vorbereiten.
Die AwSV stellt hohe Anforderungen an Unternehmen, doch sie ist mit systematischem Vorgehen, qualifizierten Fachkräften und einer gelebten Umweltkultur praxisnah umsetzbar. Entscheidend ist das Zusammenspiel von Technik, Organisation und Verantwortung – nur so lassen sich Mensch und Umwelt wirksam schützen.
Gleichzeitig gilt es, den Blick in die Zukunft zu richten: Die geplanten Änderungen bieten Chancen für mehr Klarheit, Digitalisierung und Effizienz. Unternehmen, die sich frühzeitig mit der Novelle beschäftigen, sichern sich langfristige Rechtssicherheit und Handlungsspielraum.