Gefahrgutrecht 2025 im Fokus: Was Unternehmen jetzt wissen und umsetzen müssen

Die internationalen Gefahrgutvorschriften werden alle zwei Jahre überarbeitet, um neuen Sicherheitsstandards, technischen Entwicklungen und regulatorischen Anforderungen Rechnung zu tragen. Zum 1. Januar 2025 treten die nächsten Änderungen in Kraft – basierend auf den UN-Modellvorschriften –, die sämtliche Verkehrsträger betreffen und in die nationalen Regelwerke überführt werden.

Die anstehenden Anpassungen haben weitreichende Auswirkungen auf Unternehmen, die mit dem Transport gefährlicher Güter befasst sind. Neben der Einführung neuer Begriffe und Verpackungsvorschriften steht insbesondere die Digitalisierung im Fokus – etwa durch die rechtliche Zulässigkeit elektronischer Beförderungsdokumente und Tankakten. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Sicherheit entlang der gesamten Logistikkette weiter zu erhöhen und den Anforderungen der Praxis gerecht zu werden.

Dieser Fachbeitrag liefert einen strukturierten Überblick über die wichtigsten Änderungen und unterstützt Fachverantwortliche bei der rechtssicheren und effizienten Umsetzung in den betrieblichen Alltag.

Systematik der Änderungen

Geltungsbereich und Grundlagen

Zum 1. Januar 2025 werden die aktualisierten Vorschriften des ADR (Straße), RID (Schiene) und ADN (Binnenschifffahrt) rechtswirksam. Die Grundlage bildet das UN Recommendations on the Transport of Dangerous Goods – Model Regulations, das auf internationaler Ebene kontinuierlich weiterentwickelt wird. Die Umsetzung erfolgt durch spezialisierte Gremien wie die UNECE-Arbeitsgruppe WP.15 (ADR) und den RID-Fachausschuss.

Die Harmonisierung mit weiteren Regelwerken, insbesondere dem IMDG-Code (Seeverkehr) und den IATA-DGR (Luftverkehr), stellt sicher, dass die internationalen Standards sektorenübergreifend konsistent angewendet werden können.

Ziele der Anpassungen

Die wichtigsten Zielsetzungen der neuen Vorschriften lauten:

  • Steigerung der Transportsicherheit durch Integration neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse,

  • Förderung technologischer Innovationen, etwa bei alternativen Antrieben und elektronischer Dokumentation,

  • Berücksichtigung neuer Stoffe und Materialien, u. a. Natriumionenzellen,

  • Praxisorientierte Vereinfachungen, etwa durch flexiblere Verpackungsvorgaben bei Abfalltransporten.

Wesentliche Änderungen im Überblick

Teil 1: Allgemeine Vorschriften

  • Neudefinition von Begriffen: Die Begriffe „Füllungsgrad“ und „Füllfaktor“ wurden klarer gefasst, um Missverständnisse bei flüssigen und gasförmigen Stoffen zu vermeiden.

  • Angepasste Übergangsfristen: Die bisherigen Vorschriften dürfen bis 30. Juni 2025 weiter angewendet werden.

Teil 2: Klassifizierung

  • Transport gefährlicher Viren: Affenpockenviren werden fortan unter UN 2814 (Kategorie A) bzw. UN 3373 (Kategorie B) klassifiziert.

  • Neuregelungen für Batterien: Für alle Lithium- und Natriumionenzellen müssen Prüfzusammenfassungen jederzeit verfügbar sein.

Teil 3: Gefahrgutverzeichnis

  • Neue UN-Nummern: Zellen und Batterien auf Natriumionenbasis wurden unter den UN-Nummern 3551 und 3552 neu aufgenommen.

  • Anpassung von Sondervorschriften: Ergänzungen betreffen u. a. spezifische Vorgaben für wiederaufladbare Energiespeicher.

Teil 4: Verpackungen und Tanks

  • Elektronische Tankakten sind künftig zulässig – ein wichtiger Schritt in Richtung Digitalisierung.

  • Neue Verpackungsvorgaben für gefährliche Abfälle und Batterien fördern die Handhabbarkeit und Konformität.

Teil 5: Versand

  • Elektronische Beförderungspapiere müssen eindeutig zuordenbar sein und bestimmten Sicherheitsanforderungen entsprechen.

  • Erleichterungen beim Abfallversand, insbesondere durch erleichterte Mengenschätzungen.

Teil 6: Bau- und Prüfvorschriften

  • Recyclingmaterialien dürfen für Verpackungen genutzt werden, wenn ein anerkanntes Qualitätssicherungsprogramm nachgewiesen wird.

  • Begriffsangleichung: Die neu definierten Begriffe wurden durchgängig in den technischen Anforderungen umgesetzt.

Teil 7: Be- und Entladung

  • Spezielle Containersäcke für Asbesttransporte wurden eingeführt.

  • Neue Vorgaben für geschmolzenes Aluminium sichern die thermische Stabilität beim Transport.

Teil 8: Fahrzeugbesatzungen

  • Pflicht zur Mitführung von Dokumenten im Führerhaus, insbesondere bei KEP-Diensten.

  • Unterweisungspflicht bei begrenzten Mengen wird klar geregelt.

Teil 9: Fahrzeugvorschriften

  • Zulassung alternativer Antriebe: Fahrzeuge mit Batterie- und Brennstoffzellentechnologie dürfen künftig für bestimmte Gefahrgutarten eingesetzt werden.

  • Einschränkungen bei EX-Fahrzeugen: Transporte explosiver Stoffe bleiben vorerst Dieselfahrzeugen vorbehalten.

Nationale Umsetzung im D-A-CH-Raum

Deutschland

Die rechtliche Umsetzung erfolgt über die 16. Gefahrgut-Änderungsverordnung (GefahrgutÄndVO). Wesentliche Eckpunkte:

  • GGVSEB: Inkrafttreten am 1. Januar 2025, verbindliche Anwendung ab 1. Juli 2025.

  • GGAV und GGKostV: Ergänzungen und neue Gebührenregelungen.

  • Zuständigkeit: Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV).

Schweiz

Die internationalen Vorschriften gelten grundsätzlich direkt. Nationale Umsetzungen erfolgen u. a. durch:

  • SDR (Straße): Anpassungen betreffen Maximalmengen und Qualifikationsnachweise.

  • RSD (Schiene): Konkrete Regelungen für ausgewählte Stoffe.

Österreich

Im Rahmen des GGBG werden die Änderungen dynamisch in das nationale Recht übernommen:

  • Tunnelvorgaben und Warnlampenpflicht bei bestimmten Transporten.

  • Ausnahmen für geringe Mengen und landwirtschaftliche Fahrzeuge.

  • Federführung: Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK).

Änderungen für weitere Verkehrsträger

Binnenschifffahrt (ADN)

  • Elektronische Prüflisten ab 2025 zulässig.

  • Neuregelungen zum Entgasen von Tanks inklusive Flammendurchschlagsicherungen.

  • Neue Sicherheitsanforderungen an Tankschiffe (z. B. Unterdruckventile).

Seeverkehr (IMDG-Code Amdt. 42-24)

  • Anwendung ab 2025 (freiwillig), verpflichtend ab 2026.

  • Neue Verpackungsanweisungen, Stoffklassifizierungen und Kennzeichnungsregeln.

  • Ziel: Harmonisierung mit Land- und Lufttransport.

Luftverkehr (IATA DGR 66th Edition)

  • Neue Vorgaben für Lithium- und Natriumionenzellen.

  • Erweiterte Dokumentationspflichten für Versender.

  • Neue Vorschriften für biologische Stoffe wie UN 3373.

Auswirkungen auf Unternehmen

Relevante Änderungen im betrieblichen Kontext

  • Klare Definitionen reduzieren Interpretationsspielräume bei Befüllung und Verpackung.

  • Digitale Dokumentation erhöht Effizienz und reduziert Papieraufwand.

  • Neue Produktgruppen und UN-Nummern erfordern Anpassungen in Lagerhaltung und Kennzeichnung.

  • Verstärkte Verantwortung in der Lieferkette, z. B. bei Prüfzusammenfassungen für Batterien.

Chancen und Herausforderungen

Vorteile Herausforderungen
Erhöhte Transportsicherheit Investitionen in Technik und Schulungen
Effizienz durch Digitalisierung Komplexität der Übergangsregelungen
Nachhaltigkeit (Recycling, alternative Antriebe) Anpassung bestehender Logistikprozesse

Empfehlungen zur Umsetzung

  1. Analyse betriebsrelevanter Änderungen mithilfe verfügbarer Leitfäden (z. B. VCI-Leitfaden).

  2. Schulung aller betroffenen Mitarbeitenden, insbesondere Gefahrgutbeauftragter, Fahrer und Versandpersonal.

  3. Einführung digitaler Tools für Beförderungspapiere und Prüfdokumentation.

  4. Überprüfung und Anpassung von Verpackungen und Fahrzeugen.

  5. Externe Beratung nutzen, um Umsetzungsfehler zu vermeiden.

  6. Nutzung der Übergangsfristen zur strukturierten Integration der Änderungen.

Weiterer Ausblick

Die nächsten Entwicklungen im Gefahrgutrecht zeichnen sich bereits ab:

  • Standardisierte ADR-Fahrerprüfungen zur Harmonisierung der Ausbildung.

  • Digitale automatische Kupplung (DAK) im Schienenverkehr – mit neuen Sicherheitsanforderungen.

  • E-Learning-Lösungen für Gefahrgutbeauftragte und Fahrer in Planung.

  • Ausbau elektronischer Dokumentationssysteme.

  • Weitere Integration alternativer Antriebe in das Gefahrgutrecht.

Die Gefahrgutvorschriften 2025 bringen umfassende Neuerungen mit sich. Neben der Integration neuer Gefahrstoffe und technischer Anforderungen steht die Digitalisierung im Vordergrund – ein zentraler Hebel für mehr Effizienz und Sicherheit. Unternehmen sind gefordert, die Übergangsfristen zu nutzen, die betrieblichen Prozesse rechtzeitig anzupassen und ihre Mitarbeitenden gezielt weiterzubilden.

Die wichtigsten Punkte im Überblick:

  • Fortlaufende Anpassung im 2-Jahres-Zyklus.

  • Einführung digitaler Dokumentation und alternativer Antriebstechnologien.

  • Neue Vorschriften für Batterien, Verpackungen und Logistikprozesse.

Empfehlung: Investieren Sie proaktiv in Schulung, Technologie und Compliance, um Risiken zu minimieren und die Vorteile der Modernisierung voll auszuschöpfen.

Weiterführende Informationen