Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ist eine von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Richtlinie, die Unternehmen dazu verpflichten soll, Nachhaltigkeit und Menschenrechte entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette zu berücksichtigen. Ziel ist es, sicherzustellen, dass Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen, nicht nur Gewinne zu maximieren, sondern auch Menschenrechte zu schützen und umweltbezogene Sorgfaltspflichten zu erfüllen.
Im Februar 2022 präsentierte die Europäische Kommission den Vorschlag zur CSDDD, um Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Umwelt und Gesellschaft stärker in die Pflicht zu nehmen. In einem globalisierten Wirtschaftssystem, in dem Unternehmen oft grenzüberschreitende Lieferketten haben, ist es entscheidend, verbindliche Standards zu schaffen, die den nachhaltigen Wandel unterstützen.
Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Ziele, den Geltungsbereich, die Anforderungen und Auswirkungen der CSDDD sowie deren Bedeutung für Unternehmen und Gesellschaft.
1. Hintergrund und Zielsetzung der CSDDD
Die CSDDD ist Teil der umfassenderen Bemühungen der Europäischen Union (EU), die Prinzipien von Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Menschenrechten in das Wirtschaftssystem zu integrieren. Sie baut auf bereits bestehenden Regelungen wie dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) auf, geht jedoch in ihrer Reichweite und Verbindlichkeit weiter.
Ziele der CSDDD
Die CSDDD verfolgt zwei Hauptziele:
- Schutz von Menschenrechten: Unternehmen sollen sicherstellen, dass in ihren Wertschöpfungsketten keine Menschenrechtsverletzungen stattfinden, insbesondere in Bezug auf Kinderarbeit, Zwangsarbeit, unfaire Arbeitsbedingungen und Verletzungen von Arbeitnehmerrechten.
- Umweltschutz: Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie ihre Geschäftstätigkeiten und die ihrer Lieferanten im Einklang mit ökologischen Standards betreiben, um Umweltzerstörung, Ressourcenverschwendung und den Verlust von Biodiversität zu minimieren.
Diese Ziele stehen im Einklang mit internationalen Standards wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie dem Pariser Klimaabkommen.
2. Geltungsbereich der CSDDD
Der Geltungsbereich der CSDDD ist weitreichend und umfasst eine breite Palette von Unternehmen, die entweder in der EU ansässig sind oder Geschäfte innerhalb der EU tätigen.
Welche Unternehmen sind betroffen?
- Große Unternehmen innerhalb der EU: Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro fallen unter die CSDDD.
- Große Unternehmen aus Hochrisikosektoren: Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro, die in spezifischen Sektoren tätig sind (wie Textil-, Landwirtschafts- oder Rohstoffindustrie), sind ebenfalls von der Richtlinie betroffen.
- Nicht-EU-Unternehmen: Auch Unternehmen, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, jedoch einen Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro in der EU erzielen, unterliegen den Sorgfaltspflichten der CSDDD.
Lieferketten und Einflussbereich
Die CSDDD erstreckt sich über die gesamte Lieferkette eines Unternehmens, d.h., sie umfasst sowohl direkte als auch indirekte Lieferanten sowie nachgelagerte Aktivitäten, die wesentliche Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt haben könnten. Dies stellt einen erweiterten Sorgfaltsansatz dar, der über den traditionellen Unternehmensfokus hinausgeht.
3. Anforderungen der CSDDD an Unternehmen
Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive setzt eine umfassende Reihe von Verpflichtungen für Unternehmen fest, die ihre Geschäftsstrategien und operativen Prozesse beeinflussen werden.
Sorgfaltspflichten
Die Unternehmen müssen die folgenden Schritte umsetzen:
- Risikobewertung und Prävention: Unternehmen müssen systematisch Risiken in ihren eigenen Tätigkeiten und entlang ihrer Wertschöpfungsketten identifizieren, bewerten und dokumentieren. Dies betrifft sowohl menschenrechtliche als auch ökologische Risiken. Ein besonderer Fokus liegt auf Hochrisikosektoren, in denen oft Missstände auftreten.
- Abhilfemaßnahmen: Wenn ein Unternehmen feststellt, dass es an Menschenrechts- oder Umweltverletzungen beteiligt ist, muss es sofortige Maßnahmen ergreifen, um diese Verletzungen zu stoppen und Betroffene zu entschädigen.
- Integration in die Unternehmenspolitik: Nachhaltigkeitsziele und Menschenrechte müssen fest in der Unternehmensstrategie verankert und regelmäßig überwacht werden.
Berichterstattung und Transparenz
Unternehmen sind verpflichtet, regelmäßig über ihre Sorgfaltspflichten zu berichten. Diese Berichte müssen öffentlich zugänglich sein und umfassen detaillierte Informationen zu den identifizierten Risiken, den ergriffenen Maßnahmen und den erzielten Fortschritten. Dies erhöht die Transparenz für Investoren, Konsumenten und andere Stakeholder.
Klimaschutzverpflichtungen
Ein weiteres Kernelement der CSDDD ist die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Geschäftsmodelle und Strategien mit den Zielen des Klimaschutzes übereinstimmen, um die Erderwärmung auf unter 2°C, idealerweise 1,5°C, zu begrenzen. Diese Verpflichtung gilt sowohl für die eigenen Betriebsabläufe als auch für die gesamte Wertschöpfungskette.
Einbindung von Stakeholdern
Unternehmen müssen eng mit relevanten Interessengruppen zusammenarbeiten, darunter Arbeitnehmervertretungen, NGOs und lokale Gemeinschaften. Diese Stakeholder sollen in den Prozess der Risikobewertung und -minderung einbezogen werden, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen auch den betroffenen Gruppen zugutekommen.
4. Sanktionen und Haftung
Die CSDDD sieht strenge Sanktionen für Unternehmen vor, die ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkommen. Diese Sanktionen können auf nationaler Ebene durch die jeweiligen Behörden der Mitgliedstaaten verhängt werden.
Mögliche Strafen
- Hohe Geldstrafen: Die Höhe der Strafen orientiert sich an der Schwere des Verstoßes und der Unternehmensgröße. Sie können mehrere Millionen Euro betragen und sind oft prozentual am Jahresumsatz des Unternehmens festgelegt.
- Haftungsrisiken: Unternehmen können auch rechtlich haftbar gemacht werden, wenn sie ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen und dadurch Schäden entstehen. Betroffene Personen oder Gemeinschaften können Schadensersatzansprüche geltend machen.
Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen
Ein weiteres potenzielles Risiko für Unternehmen ist der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen in der EU, wenn sie gegen die Sorgfaltspflichten der CSDDD verstoßen.
5. Herausforderungen für Unternehmen
Die Implementierung der CSDDD stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, insbesondere in Hinblick auf die Anforderungen an Transparenz, Berichterstattung und das Management von Risiken in komplexen, globalen Lieferketten.
Komplexität der Lieferketten
Viele Unternehmen operieren mit weit verzweigten Lieferketten, die schwer zu überwachen sind. Die Herausforderung besteht darin, Risiken auch in den tieferen Ebenen der Lieferkette zu identifizieren und zu managen, insbesondere in Regionen mit schwachen institutionellen Rahmenbedingungen.
Erhöhter Verwaltungsaufwand
Die Anforderungen an Risikobewertungen, Berichterstattung und Transparenz führen zu einem erheblichen Mehraufwand, insbesondere für Unternehmen, die bisher keine oder nur unzureichende Nachhaltigkeitsstrategien umgesetzt haben. Unternehmen müssen in neue IT-Systeme, Monitoring-Prozesse und Fachpersonal investieren, um den Anforderungen gerecht zu werden.
Reputationsrisiken
Gleichzeitig bietet die CSDDD eine Chance: Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsstrategie erfolgreich umsetzen, können sich als verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert positionieren. Ein Versagen bei der Einhaltung der Richtlinie kann jedoch nicht nur finanzielle Folgen haben, sondern auch das Markenimage erheblich schädigen.
6. Chancen der CSDDD
Obwohl die CSDDD Unternehmen vor neue Herausforderungen stellt, bietet sie auch erhebliche Chancen. Unternehmen, die sich an den neuen Standards orientieren, können ihre Marktposition langfristig stärken.
- Verbesserte Wettbewerbsfähigkeit: Unternehmen, die Nachhaltigkeit und Menschenrechte aktiv in ihre Geschäftsstrategie integrieren, gewinnen das Vertrauen von Investoren und Konsumenten. Dies kann zu einer verbesserten Marktposition und neuen Geschäftsmöglichkeiten führen.
- Risikominimierung: Eine effektive Implementierung der Sorgfaltspflichten reduziert langfristig Risiken, die sich aus Menschenrechts- oder Umweltverletzungen ergeben könnten. Dies stärkt die Resilienz des Unternehmens und schützt vor rechtlichen und finanziellen Konsequenzen.
- Zugang zu Kapital: Nachhaltigkeitskriterien werden zunehmend zu einem entscheidenden Faktor bei der Vergabe von Krediten und Investitionen. Unternehmen, die den ESG-Anforderungen (Environmental, Social, Governance) gerecht werden, haben bessere Chancen, Investoren anzuziehen und günstige Finanzierungskonditionen zu erhalten.
Die Bedeutung der CSDDD für die Zukunft
Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive markiert einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigeren und verantwortungsvolleren globalen Wirtschaft. Sie setzt neue Maßstäbe für Unternehmen in der EU und darüber hinaus, indem sie verbindliche Sorgfaltspflichten für Menschenrechte und Umweltschutz einführt.
Unternehmen müssen sich auf weitreichende Veränderungen einstellen, die mit neuen Berichterstattungspflichten, Haftungsrisiken und erweiterten Risikomanagementprozessen verbunden sind. Gleichzeitig eröffnet die CSDDD Unternehmen die Möglichkeit, sich als Vorreiter im Bereich Nachhaltigkeit zu positionieren und langfristig von einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu profitieren.
Für Unternehmen ist es unerlässlich, jetzt die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Anforderungen der CSDDD zu erfüllen, ihre Lieferketten zu überprüfen und Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln. So können sie nicht nur den regulatorischen Anforderungen gerecht werden, sondern auch eine Vorreiterrolle in einer zunehmend nachhaltigkeitsorientierten globalen Wirtschaft einnehmen.
Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) befindet sich noch im Gesetzgebungsverfahren und hat daher noch kein festes Inkrafttretungsdatum. Allerdings wird erwartet, dass die Richtlinie nach ihrer finalen Verabschiedung durch die europäischen Institutionen voraussichtlich 2025 oder 2026 in Kraft treten wird.
Nach dem Inkrafttreten der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union diese in nationales Recht umsetzen, was in der Regel einen Zeitraum von etwa zwei Jahren in Anspruch nimmt. Unternehmen müssen daher voraussichtlich spätestens ab 2026 mit der praktischen Anwendung der Sorgfaltspflichten im Rahmen der CSDDD rechnen.
Das genaue Datum hängt jedoch davon ab, wann das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen wird und wann die Mitgliedstaaten die Richtlinie in ihre nationalen Rechtsvorschriften überführen.