Das Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlG) ist eine der zentralen gesetzlichen Grundlagen für den sicheren Betrieb technischer Anlagen in Deutschland. Es regelt den Umgang mit sogenannten „überwachungsbedürftigen Anlagen“ und ist damit von großer Bedeutung für Unternehmen, die beispielsweise Druckbehälter, Aufzugsanlagen, Tankstellen, Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen oder bestimmte Arbeitsmittel betreiben. Seit seinem Inkrafttreten am 16. Juli 2021 ersetzt das ÜAnlG die bisherigen Regelungen aus dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) für diesen Bereich und führt eine Reihe wichtiger Neuerungen ein. Vor dem Hintergrund der laufenden Rechtsentwicklung und weiterer erwarteter Verordnungen stehen viele Betreiber und Führungskräfte aktuell vor der Frage, wie sie ihre Betreiberverantwortung rechtskonform und praxisnah umsetzen.
Dieser Fachartikel informiert umfassend über den aktuellen Stand, die wichtigsten gesetzlichen Änderungen und gibt praxisorientierte Empfehlungen für Unternehmen, Betreiber und die Unternehmensleitung. Zudem werden angrenzende Gesetze betrachtet, die für die Organisation und den sicheren Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen relevant sind.
1. Hintergrund und Zielsetzung des ÜAnlG
Das ÜAnlG ist das Nachfolgegesetz zu den bisherigen Vorschriften aus dem Produktsicherheitsgesetz, welche die Sicherheit überwachungsbedürftiger Anlagen regelten. Mit Inkrafttreten des ÜAnlG am 16.07.2021 wurde der Bereich erstmals eigenständig geregelt und klar von anderen Bereichen des Produktrechts abgegrenzt. Die Gesetzesbegründung hebt als Zielsetzung insbesondere die Erhöhung der Anlagensicherheit, die bessere Nachverfolgbarkeit von Betreiberpflichten sowie die Vereinheitlichung der Vorgaben für Überwachungsstellen hervor.
2. Wichtige Meilensteine und aktueller Stand
Seit dem Inkrafttreten des ÜAnlG haben sich die Entwicklungen wie folgt gestaltet:
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16.07.2021: Inkrafttreten des ÜAnlG; Ablösung der bisherigen Regelungen des ProdSG zu überwachungsbedürftigen Anlagen.
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12.02.2025: Veröffentlichung und Verteilung der jeweils dritten Arbeitsentwürfe der ÜAnlV (Verordnung über überwachungsbedürftige Anlagen) und der AMBV (Arbeitsmittelbenutzungsverordnung) in den beteiligten Fachkreisen.
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Ab Juli 2025: Referentenentwürfe zur ÜAnlV und AMBV werden frühestens in der zweiten Jahreshälfte erwartet.
Derzeit gilt das ÜAnlG als eigenständiges Stammgesetz, während die zugehörigen Ausführungsverordnungen (insbesondere ÜAnlV und AMBV) noch im Entwurfsstadium sind. Dies bringt für Unternehmen Unsicherheiten, insbesondere im Hinblick auf Detailregelungen und die praktische Umsetzung.
3. Das ÜAnlG im Überblick: Was ist neu?
3.1 Eigenständiges Gesetz – Klarere Abgrenzung
Mit dem ÜAnlG wurde der gesamte Themenkomplex der überwachungsbedürftigen Anlagen erstmals aus dem ProdSG herausgelöst. Das schafft Klarheit, bündelt die Anforderungen und vereinfacht den Zugang für Betreiber, Überwachungsstellen und Behörden.
3.2 Begriffsbestimmungen und Einordnung
Überwachungsbedürftige Anlagen sind im ÜAnlG nun präziser definiert. Dazu zählen u.a.:
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Aufzugsanlagen
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Druckanlagen
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Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen
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Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (in Verbindung mit WHG und AwSV)
Gleichzeitig wurden Regelungen zu erlaubnispflichtigen Anlagen aus dem ProdSG in die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) überführt, was die Aufgabenverteilung zwischen verschiedenen Rechtsbereichen besser abbildet.
3.3 Betreiberpflichten – Was Unternehmen jetzt beachten müssen
Das ÜAnlG legt den Fokus auf die Betreiberverantwortung. Zu den zentralen Pflichten zählen:
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Die ordnungsgemäße Inbetriebnahme, Nutzung, Instandhaltung und Stilllegung überwachungsbedürftiger Anlagen.
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Die regelmäßige Prüfung der Anlagen durch zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS).
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Die Führung und Aktualisierung eines Anlagenkatasters.
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Die fristgerechte Meldung relevanter Vorgänge an Behörden und Überwachungsstellen.
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Das Nachweismanagement und die Dokumentation aller Maßnahmen.
Neu ist, dass das Gesetz bundesweit einheitliche Vorgaben zur Meldepflicht und Führung von Anlagenkatastern vorsieht. Dies erhöht die Transparenz und erleichtert die Aufsicht.
3.4 Anforderungen an Zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS)
Die Anforderungen an die Zulassung und Überwachung der ZÜS sind nun bundesweit vereinheitlicht. Ziel ist eine höhere Qualität und Vergleichbarkeit der Überwachungsleistungen. Die ZÜS müssen neben ihrer Fachkompetenz u.a. über ausreichende personelle und technische Ausstattung verfügen und ihre Unabhängigkeit gewährleisten.
4. Praxistipps für Betreiber – Worauf Sie achten sollten
4.1 Überprüfen Sie Ihr Anlagenkataster
Betreiber sind verpflichtet, ein vollständiges und aktuelles Anlagenkataster zu führen. Dieses sollte sämtliche überwachungsbedürftigen Anlagen enthalten und alle relevanten Daten, wie Prüffristen, Prüfergebnisse und durchgeführte Maßnahmen, dokumentieren.
4.2 Beachten Sie die Meldepflichten
Neue und geänderte Anlagen sowie sicherheitsrelevante Vorkommnisse müssen zeitnah gemeldet werden. Die Meldewege und -pflichten sind im ÜAnlG klar geregelt und werden durch die kommenden Verordnungen (ÜAnlV, AMBV) noch weiter konkretisiert werden.
4.3 Kooperation mit Überwachungsstellen
Sorgen Sie für eine enge und offene Zusammenarbeit mit den ZÜS. Dokumentieren Sie alle Prüfergebnisse und setzen Sie festgestellte Mängel zeitnah um.
4.4 Verantwortung und Schulung der Mitarbeitenden
Die Betreiberverantwortung erstreckt sich auf alle Hierarchieebenen. Führungskräfte sollten sicherstellen, dass das notwendige Wissen über die neuen gesetzlichen Anforderungen regelmäßig vermittelt und dokumentiert wird. Schulungen und Unterweisungen sind hierfür unerlässlich.
4.5 Beobachten Sie die weitere Entwicklung
Da die Detailregelungen in der ÜAnlV und AMBV noch ausstehen, sollten Sie die rechtliche Entwicklung aktiv verfolgen. Prüfen Sie regelmäßig, ob Anpassungen an Ihren Prozessen notwendig werden.
5. Blick auf angrenzende Gesetzgebungen
5.1 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)
Viele Detailregelungen, z. B. zu Prüfpflichten und dem Umgang mit Arbeitsmitteln, wurden in die BetrSichV überführt. Insbesondere erlaubnispflichtige Anlagen und Arbeitsmittel unterliegen weiterhin deren Vorgaben.
5.2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und AwSV
Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen unterliegen nicht nur dem ÜAnlG, sondern auch dem WHG und der Anlagenverordnung AwSV. Diese regeln unter anderem Anforderungen an die technische Ausstattung, Überwachung und den Gewässerschutz.
5.3 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und Explosionsschutz
Für Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen greifen ergänzend die Vorgaben der Gefahrstoffverordnung sowie der Explosionsschutzregeln (z. B. TRBS, ATEX).
5.4 Arbeitsmittelbenutzungsverordnung (AMBV)
Die AMBV, die sich aktuell noch im Entwurfsstadium befindet, wird künftig die Anforderungen an die sichere Benutzung von Arbeitsmitteln konkretisieren. Hier ist insbesondere für Unternehmen mit umfangreichem Maschinenpark mit Anpassungsbedarf zu rechnen.
5.5 Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)
Das ProdSG bleibt weiterhin für viele andere Produkte und Geräte relevant, ist aber für überwachungsbedürftige Anlagen nur noch eingeschränkt anzuwenden.
6. Ausblick – Entwicklung in den nächsten Jahren
Die kommenden Monate und Jahre werden von der weiteren Ausgestaltung und Konkretisierung durch die zu erwartenden Verordnungen geprägt sein. Die Referentenentwürfe für die ÜAnlV und die AMBV werden ab der zweiten Jahreshälfte 2025 erwartet und werden zahlreiche Detailregelungen enthalten, die für die praktische Umsetzung und für Compliance von zentraler Bedeutung sind.
7. Empfehlungen für die Praxis
Das ÜAnlG schafft mehr Klarheit, Transparenz und Rechtssicherheit für Betreiber überwachungsbedürftiger Anlagen. Für Unternehmen gilt es nun, die neuen Regelungen frühzeitig und strukturiert umzusetzen:
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Prüfen Sie bestehende Prozesse und passen Sie diese an die neuen Anforderungen an.
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Führen Sie ein vollständiges Anlagenkataster und erfüllen Sie die neuen Meldepflichten.
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Stellen Sie die regelmäßige und qualifizierte Prüfung Ihrer Anlagen durch eine ZÜS sicher.
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Schulen Sie Ihre Mitarbeitenden regelmäßig zu ihren Pflichten und Verantwortlichkeiten.
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Verfolgen Sie die weitere Rechtsentwicklung und bereiten Sie sich frühzeitig auf die zu erwartenden Änderungen vor.
Durch die proaktive und systematische Umsetzung der neuen gesetzlichen Anforderungen können Sie nicht nur die Sicherheit Ihrer Anlagen und Prozesse gewährleisten, sondern auch Ihre Compliance-Risiken minimieren und das Vertrauen von Behörden und Geschäftspartnern stärken.
Dieser Artikel gibt den Stand der Gesetzgebung und die bekannten Entwicklungen bis Juli 2025 wieder. Bitte beachten Sie, dass weitere Anpassungen durch die anstehenden Verordnungen (ÜAnlV, AMBV) zu erwarten sind. Für die betriebliche Praxis empfiehlt sich die regelmäßige Beobachtung der rechtlichen Entwicklung sowie die Einbindung von Fachleuten zur Umsetzung der Betreiberpflichten.