Die EU-Entwaldungsverordnung: Pflicht und Chance für Unternehmen im internationalen Handel
Die Europäische Union setzt mit der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) ein klares Zeichen: Produkte, die mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen, sollen künftig keinen Platz mehr auf dem europäischen Markt haben. Ab Ende 2025 für große Unternehmen – und ab Mitte 2026 auch für kleine und mittlere Betriebe – greift die neue Regelung. Ziel ist es, Wälder weltweit zu schützen und zugleich für mehr Transparenz in globalen Lieferketten zu sorgen.
Für Unternehmen bedeutet das weitreichende Veränderungen. Sie müssen ihre Lieferketten überprüfen, Daten sammeln und sicherstellen, dass ihre Produkte nicht aus illegal gerodeten Gebieten stammen. Was zunächst wie eine bürokratische Hürde wirkt, bietet bei näherem Hinsehen aber auch eine große Chance: Wer seine Lieferketten transparent gestaltet, kann Vertrauen schaffen, Risiken minimieren und sich vom Wettbewerb abheben.
Kernpunkte der Verordnung
Die Verordnung (EU) 2023/1115 trat im Juni 2023 in Kraft und löst die bisherige Holzhandelsverordnung ab. Ihr Geltungsbereich ist weit: Betroffen sind sieben Rohstoffe und zahlreiche daraus abgeleitete Produkte – von Rindfleisch über Kaffee und Kakao bis hin zu Palmöl, Soja, Kautschuk und Holz.
Unternehmen dürfen diese Produkte nur dann in der EU vermarkten, wenn sie nachweisen können, dass
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sie entwaldungsfrei sind,
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die Produktionsflächen seit dem 31. Dezember 2020 nicht gerodet wurden und
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die Gesetze des Ursprungslandes eingehalten wurden.
Damit wird die Verantwortung für nachhaltige Lieferketten klar auf die Unternehmen übertragen.
Zeitplan und Fristen
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Ab 30. Dezember 2025: Verpflichtend für große und mittlere Unternehmen.
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Ab 30. Juni 2026: Anwendung auch auf kleine und Kleinstunternehmen.
Die Übergangsfristen erscheinen lang, doch die Praxis zeigt: Transparente Lieferketten aufzubauen braucht Zeit. Unternehmen, die jetzt handeln, vermeiden spätere Engpässe und Strafen.
Die Sorgfaltspflicht – Herzstück der EUDR
Im Mittelpunkt der Verordnung steht die Sorgfaltspflicht (Due Diligence). Sie umfasst drei Schritte:
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Informationssammlung
Unternehmen müssen Daten zu ihren Produkten und Rohstoffen erheben, darunter die genauen Geokoordinaten der Anbauflächen. So soll sichergestellt werden, dass diese seit Ende 2020 nicht gerodet wurden. Zudem sind Informationen zur Einhaltung der nationalen Gesetze erforderlich – vom Umweltrecht bis hin zu Arbeits- und Sozialstandards. -
Risikobewertung
Auf Basis dieser Informationen ist zu prüfen, ob ein Risiko für Entwaldung oder Gesetzesverstöße besteht. Fragen sind dabei etwa:-
Liegt die Anbaufläche in einem bekannten Entwaldungsgebiet?
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Gibt es Konflikte um Landrechte?
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Sind die Angaben der Lieferanten nachvollziehbar und vollständig?
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Risikominderung
Stellt die Analyse ein Risiko fest, sind Maßnahmen notwendig – zum Beispiel Audits bei Lieferanten, zusätzliche Nachweise, Schulungen oder digitale Überwachungssysteme. Erst wenn das Risiko als „vernachlässigbar“ eingestuft werden kann, darf das Produkt in der EU in Verkehr gebracht werden.
Am Ende steht eine Sorgfaltserklärung, die elektronisch an die zuständigen Behörden übermittelt wird. Verstöße werden streng geahndet – Bußgelder können bis zu 4 % des Jahresumsatzes betragen.
Risikoklassifizierung von Ländern
Die EU wird Herkunftsländer künftig in drei Kategorien einstufen:
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Hohes Risiko – etwa Belarus, Myanmar oder Russland. Hier gelten besonders strenge Kontrollen.
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Standardrisiko – Länder wie Brasilien oder Indonesien. Kontrollen erfolgen stichprobenartig, aber häufiger als bei niedrigem Risiko.
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Niedriges Risiko – darunter beispielsweise die USA, mit deutlich reduzierten Prüfquoten.
Für Unternehmen bedeutet das: Je nach Herkunftsland ihrer Rohstoffe müssen sie unterschiedliche Kontroll- und Dokumentationsanforderungen erfüllen.
Praktische Herausforderungen für Unternehmen
Die Umsetzung bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich:
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Globale Lieferketten sind komplex. Ein Schokoladenhersteller etwa verarbeitet Kakao aus Afrika, Milchpulver aus Europa und Verpackungen aus Asien. Alle Glieder müssen nachvollziehbar dokumentiert sein.
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Datenverfügbarkeit ist oft problematisch. Gerade Kleinbauern in Entwicklungsländern verfügen selten über digitale Systeme oder GPS-Daten.
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Rechtliche Unsicherheiten entstehen durch die parallele Einhaltung nationaler Vorschriften in den Ursprungsländern.
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Kosten und Ressourcen sind nicht zu unterschätzen: Der Aufbau neuer Systeme, Audits und Nachweise bindet Zeit und Kapital.
Gleichzeitig sind Unternehmen gefordert, die Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zu finden.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Damit die Umsetzung gelingt, sollten Unternehmen strukturiert vorgehen:
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Frühzeitig beginnen – eine saubere Lieferkettenanalyse dauert Monate, oft Jahre.
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Lieferanten erfassen und bewerten – wer sind die Produzenten, wo liegen die Flächen, welche Nachweise können sie liefern?
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Digitale Lösungen nutzen – von Satellitendaten über Blockchain bis hin zu Lieferketten-Managementsystemen.
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Kooperationen aufbauen – Lieferanten in die Pflicht nehmen, aber auch durch Schulungen und Unterstützung stärken.
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Prozesse integrieren – die EUDR sollte Teil bestehender Compliance- und Nachhaltigkeitsstrategien sein, nicht ein isoliertes Zusatzthema.
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Fokus auf Risikoländer – besonders strenge Prüfungen dort, wo die Gefahr von Entwaldung am höchsten ist.
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Förderprogramme nutzen – EU- und Brancheninitiativen bieten Unterstützung, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen.
Mehr als Pflicht: Die EUDR als Wettbewerbsvorteil
Auch wenn die Anforderungen streng sind: Unternehmen können die EUDR als Chance begreifen. Wer frühzeitig auf Transparenz setzt, gewinnt Vertrauen bei Kunden, Investoren und Partnern. Nachhaltigkeit ist längst mehr als ein Trend – sie ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor.
Vorreiter profitieren gleich mehrfach:
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Gestärktes Markenimage durch klare Positionierung für Nachhaltigkeit.
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Rechtssicherheit durch lückenlose Dokumentation.
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Neue Marktchancen, da viele Geschäftspartner künftig nur noch mit konformen Lieferanten zusammenarbeiten.
Handeln statt abwarten
Die EU-Entwaldungsverordnung markiert einen Wendepunkt für den internationalen Handel. Sie zwingt Unternehmen, genau hinzuschauen – von der Kaffeebohne aus Äthiopien bis zum Rindfleisch aus Südamerika.
Wer die Vorgaben ernst nimmt, wird nicht nur Bußgelder vermeiden, sondern seine Zukunftsfähigkeit sichern. Denn nachhaltige Lieferketten sind kein kurzfristiges Projekt, sondern ein zentraler Bestandteil moderner Unternehmensführung.
Die Devise lautet daher: Jetzt handeln, statt später unter Druck nachzubessern. Die EUDR ist Herausforderung und Chance zugleich – und wer sie konsequent nutzt, verschafft sich einen klaren Vorsprung im Wettbewerb.