DGUV-Vorschriften 2024/2025: Was sich geändert hat – und was noch kommt

Neue Spielregeln im Arbeitsschutz

Seit 2024 bewegt sich im Regelwerk der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) einiges. Die Reform der DGUV Vorschrift 2 ist dabei nur das sichtbarste Signal: Digitalisierung, neue Betreuungskonzepte, Fachkräftevielfalt und veränderte Anforderungen an betriebliche Prüfungen verändern den Alltag von Unternehmen und ihren Arbeitsschutzbeauftragten spürbar.

Zugleich kündigen sich weitere grundlegende Veränderungen an – von der Personenzertifizierung für Kransachverständige über neue Arbeitsstättenregeln bis hin zu digitalen Formaten in der Gefährdungsbeurteilung. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungen und zeigt, worauf Unternehmen jetzt achten müssen.

DGUV Vorschrift 2 – Die zentrale Reform

Die überarbeitete DGUV Vorschrift 2 regelt die sicherheitstechnische und betriebsärztliche Betreuung und wurde am 28. November 2024 beschlossen. Sie tritt ab April 2025 gestaffelt in Kraft – abhängig vom zuständigen Unfallversicherungsträger.

Die wichtigsten Änderungen:

  • Trennung von Vorschrift und Regel: Die eigentliche Vorschrift enthält nur noch rechtlich verbindliche Aussagen. Empfehlungen und Auslegungshilfen wurden in die neue DGUV Regel 100-002 ausgelagert. Das schafft mehr Klarheit in der Anwendung.

  • Digitale Betreuung erlaubt: Bis zu ein Drittel (in Ausnahmen bis 50 %) der jährlichen Einsatzzeit darf nun über digitale Formate wie Video- oder Telefonkonferenzen erfolgen – allerdings erst nach einer Erstbegehung vor Ort.

  • Interdisziplinäre Betreuung: Auch Fachkräfte aus Ergonomie, Psychologie, Biologie oder angrenzenden Disziplinen dürfen künftig im Rahmen der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung tätig sein – sofern sie über eine entsprechende Qualifikation verfügen.

  • Kleinstbetriebe im Fokus: Für Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten gibt es künftig ein vereinfachtes, aber strukturiertes Betreuungskonzept. Das Ziel: ein flexibleres und realitätsnäheres Modell für kleine Unternehmen.

  • Verpflichtende Fortbildung: Fachkräfte und Betriebsärzte müssen jährliche Fortbildungsnachweise führen – Unternehmen sind gut beraten, die Qualifikation ihrer Dienstleister regelmäßig zu prüfen.

Praxis-Tipp: Jetzt Betreuungskonzepte prüfen, digitale Formate einplanen und Verträge aktualisieren. Wer frühzeitig handelt, vermeidet Umsetzungsstress ab April 2025.

Aktualisierte Regeln und Informationen: Von Gehörschutz bis Epoxidharze

Neben der Vorschrift 2 wurden zahlreiche DGUV-Regelwerke und Informationsschriften überarbeitet. Dazu zählen:

Neue bzw. überarbeitete DGUV Dokumente:

  • DGUV Regel 112-194 „Benutzung von Gehörschutz“ (2024): Praxisleitfaden zur Auswahl, Anwendung und Pflege – wichtig für alle lärmbelasteten Branchen.

  • DGUV Info 213-116 „Epoxidharzsysteme“ (neu): Schutzmaßnahmen gegen Hautsensibilisierungen – z. B. in der Bauchemie, Windenergie, Luftfahrt.

  • DGUV Info 213-117 „Elektrostatik – FAQ“ (neu): Häufige Fragen zur Vermeidung elektrostatischer Entladungen im Betrieb – kurz und praxisnah aufbereitet.

  • DGUV Info 209-076 „Hufbeschlag“ (2025 überarbeitet): Für Betriebe im Tierbereich, mit aktualisierten Sicherheitsmaßnahmen.

Empfehlung: Die regelmäßige Durchsicht der DGUV-Infos und -Regeln ist Pflicht für Verantwortliche – viele Gefährdungsbeurteilungen basieren auf diesen Inhalten.

Neue Anforderungen in der Arbeitsstättenverordnung (ASR)

Die ASR wurden 2024 in mehreren Punkten angepasst – mit spürbaren Folgen für Arbeitgeber:

  • ASR A2.3 „Fluchtwege“: Neue Anforderungen für dynamisch-optische Leitsysteme – z. B. Fluchtwegsymbole, die sich der Gefahrensituation anpassen. Übergangsfrist für Bestandsbauten bis April 2025.

  • ASR A4.3 „Erste-Hilfe-Räume“: Neue Maßgaben zu Ausstattung, Größe und barrierefreier Zugänglichkeit – relevant für Neubauten und Sanierungen.

  • ASR A4.4 „Unterkünfte“: Überarbeitet hinsichtlich Hygiene, Sicherheit und psychosozialer Bedingungen bei mobiler Arbeit und temporären Unterkünften.

Praxisfolgen: Unternehmen mit Betriebsgebäuden, Baustellen oder mobilen Teams müssen ihre Raum- und Fluchtpläne auf Konformität überprüfen.

Geplante Änderungen ab 2025 – was kommt auf Unternehmen zu?

a) Umsetzung der neuen Vorschrift 2 in allen Branchen

Die neue DGUV Vorschrift 2 wird 2025 nach und nach bei allen Unfallversicherungsträgern eingeführt. Begleitend erfolgt eine Evaluation zur Praxistauglichkeit – es sind bereits Ergänzungen zu hybriden Arbeitsmodellen im Gespräch.

b) Abschaffung der DGUV Vorschrift 52/53 (Krane)

Das bisherige System der Kransachverständigenprüfung über die DGUV wird durch eine zertifizierte Personenzertifizierung nach ISO 17024 ersetzt.

  • Sachverständige müssen künftig ein anerkanntes Zertifikat vorlegen.

  • Übergangsregelungen bestehen – ab 2026 droht ein Umstellungsdruck.

  • Die TRBS 1203 wird parallel angepasst.

Wichtig für Unternehmen: Beauftragte Kransachverständige rechtzeitig auf ihre künftige Zertifizierungsfähigkeit prüfen.

c) Gefahrstoffverordnung und neue DGUV-Empfehlungen

  • Neue Technische Regeln (TRGS) zu Asbest in Vorbereitung – mit schärferen Anforderungen für Sanierungsarbeiten im Bestand.

  • Erhöhte Nachweispflichten und Schulungspflichten für ausführende Unternehmen.

d) Psychische Gesundheit systematisch berücksichtigen

  • Eine überarbeitete Handlungshilfe zur psychischen Gefährdungsbeurteilung wird erwartet (geplant: 2025/2026).

  • Ziel: verbindlichere Kriterien, insbesondere für kleinere Betriebe.

e) Digitalisierung des Arbeitsschutzes

  • In Vorbereitung: Pilotleitlinien für KI-gestützte Gefährdungsbeurteilungen, automatisierte Dokumentation und E-Learning als vollwertige Unterweisung.

  • Erwartet werden erste verbindliche Empfehlungen der DGUV ab 2026.

Moderne Sicherheit braucht moderne Regeln – und Unternehmen, die sie ernst nehmen

Die aktuellen und geplanten Änderungen im DGUV-Regelwerk bringen mehr Klarheit, mehr digitale Möglichkeiten und mehr Verantwortung mit sich. Ob neue Betreuungskonzepte, dynamische Fluchtleitsysteme oder zertifizierte Sachverständige – Unternehmen müssen jetzt aktiv werden, um mit den Entwicklungen Schritt zu halten.

Gerade kleine und mittlere Betriebe profitieren von den neuen Möglichkeiten (z. B. Online-Beratung), dürfen aber die formalen Pflichten nicht unterschätzen. Wer Arbeitsschutz nicht nur als Pflicht, sondern als Führungsaufgabe versteht, gewinnt – nicht zuletzt durch gesündere Mitarbeitende, rechtliche Absicherung und eine moderne Unternehmenskultur.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Angesichts der tiefgreifenden Änderungen ist es ratsam, strukturiert vorzugehen:

Maßnahme Nutzen
Bestandsaufnahme der aktuellen Betreuung und Regelanwendung Klärt Handlungsbedarf und deckt Lücken auf
Verträge anpassen (DGUV V2, externe Dienstleister) Rechtssicherheit und Qualifikation sicherstellen
Gefährdungsbeurteilungen aktualisieren Berücksichtigung neuer Regeln, z. B. ASR oder Gefahrstoffverordnung
Mitarbeitende informieren und schulen Akzeptanz und Umsetzung verbessern
Kranbetrieb überprüfen Umstieg auf zertifizierte Prüfer rechtzeitig vorbereiten